„ohne unseren Einfluss, würden sich Kinder nur von Süssigkeiten ernähren“
Ich möchte euch gerne von einer Situation aus meinem Alltag erzählen, wie ich die Kontrolle loslassen und der Körperintelligenz meiner Kinder vertrauen konnte:
Mein Sohn kommt vom Kindergarten nach Hause. Auf dem Tisch steht das Mittagessen parat, heute Kartoffeln mit Gemüse und Grillkäse. Nachdem er seine Schuhe, Jacke und Rucksack in die Ecke geschmissen hat, rennt er in die Küche, holt sich Gummibärchen und sitzt zu uns an den Tisch. Ich könnte durchdrehen. Trotzdem sage erst einmal nichts und warte ab, ich habe mich vor kurzem entschieden meine Kinder intuitive essen zu lassen. Ich esse weiter und frage ich mich, warum mich das gerade stresst? Ich stelle fest: ich selber durfte Süssigkeiten erst nachdem ich aufgegessen hatte, essen. Mich triggert also die Situation, dass mein Sohn etwas macht, was ich nie durfte.
Ich mache mir auch Sorgen und ich habe Angst, dass er nur Süssigkeiten isst und ich habe keine Lust in einer Stunde wieder in der Küche zu stehen um ihm etwas zu kochen oder zu wärmen. Dann habe ich 2 Ideen:
1. Ich könnte ihm einen Teller mit dem Mittagessen stehen lassen und er isst es später, falls er mag oder
2. Er holt sich später selber etwas aus dem Kühlschrank.
... und während ich noch am Nachdenken bin, schöpft sich mein Sohn Kartoffeln und Grillkäse auf den Teller.
Das lief etwa 2 Monate so, bis ich plötzlich einen «AHA-Moment» hatte und das Verhalten von meinem Sohn verstand: Mein Sohn hat einen langen Schulweg, sein Hochleistungsmotor verbrennt natürlich schon beim Hinweg ordentlich Energie. Zeit für’s Znüni hat er nicht immer und falls doch, deckt es auf keinen Fall seinen Energiebedarf. Er kommt also sehr hungrig nach Hause. Die einen oder anderen denken jetzt vielleicht «also wenn er so hungrig ist, dann würde er doch alles essen was auf dem Tisch steht, Hauptsache Essen». Das Sprichwort «zur Not frisst der Teufel Fliegen» stimmt zum Teil natürlich schon. Wenn nichts anders vorhanden ist, ist unserem Körper jede Energie recht. Nun möchte ich meinem Sohn aber keine Notsituationen vorspielen, damit ER das isst, was ICH für richtig halte.
Sein Körper braucht jetzt SCHNELLE Energie, um seine Glykogenspeicher aufzufüllen und damit der Motor wieder „läuft“. Und was steht auf dem Tisch? Kartoffel und Käse - Lebensmittel die unser Körper langsam verstoffwechselt und ihm somit auch langsam Energie zur Verfügung stellt. Sein Körper braucht aber schnelle Energie und was gibt schnelle Energie? Genau, Zucker.
Was wäre passiert, wenn ich Kontrolle ausgeübt hätte und meinem Sohn vorgeschrieben hätte, dass er jetzt zuerst das Gemüse essen soll und die Süssigkeiten erst, wenn er ge- oder aufgegessen hat? Zum einen hätte es, wie erwähnt, für seinen Körper einfach keinen Sinn gemacht und zum anderen würde die Tendenz steigen, dass er mehr isst, als er eigentlich braucht (weil er die Süssigkeiten nach dem Essen auf jeden Fall essen würde).
Fazit: der Körper von meinem Sohn funktionierte einwandfrei, er spürte ganz genau was er brauchte. Zuerst schnelle Energie und dann langanhaltende Energie.
Ich will damit nicht sagen, dass wir Eltern immer JA sagen müssen und die oben geschilderte Situation bei allen Kindern so zutrifft. Es gibt auch emotionale Esser (speziell nach einem stressigen Schultag), hierzu später mehr unter 'Emotionales Essen'.
Ich sage auch mal NEIN zu Süssigkeiten. Aber nicht, weil ich Kontrolle über das Essverhalten meines Kindes ausüben möchte, sondern weil ich das Eis evt. für ein Dessert geplant habe, die Kekse auch noch für andere Familienmitglieder sind oder weil wir gerade die Zähne geputzt haben.
Oft fällt es uns schwer loszulassen, weil wir somit auch ein Stück Kontrolle über unsere Kinder abgeben. Hier ist es spannend hinzusehen, was genau hinter der Kontrolle steckt? Ist es vielleicht die Angst, dass unsere Kinder krank werden könnten? Oder vielleicht haben wir selber als Kind wenig mitentscheiden oder über uns selber entscheiden dürfen? Schau doch das nächste Mal hin und halte inne bevor du Einfluss auf die Entscheidung deines Kindes nimmst. Frage dich, wieso möchte ich etwas sagen? Was für ein Gefühl habe ich gerade? Was für ein Bedürfnis steckt dahinter? Hat das Bedürfnis etwas mit mir zu tun oder mit meiner Vergangenheit. Wird dieses Bedürfnis erfüllt, wenn ich jetzt etwas sage oder brauche ich etwas anderes?
Kontrolle loszulassen kann sehr schwierig sein, besonders wenn die eigenen Anteile tief in uns verankert sind. Und trotzdem ist es möglich und wir können es alle schaffen unseren Kindern mehr zuzutrauen, ihnen mehr Freiheit und Entscheidungskraft zu geben, indem wir uns selber zurücknehmen und reflektieren woher dieses starke Gefühl nach Kontrolle kommt.
Deine Claudia
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